Ich war am Wochenende ja in der alten Heimat, was mittlerweile auch immer ein mittleres Familientreffen beinhaltet, bei dem viele Geschichten und Weißt-Du-nochs ausgetauscht werden. Unter anderen steuerte mein Bruder eine kleine Anekdote bei, die ich sogleich verwurste – man sollte sich eben überlegen, was man seiner großen Schwester erzählt.
Es begab sich also zu der Zeit, als besagter Bruder mit seiner Freundin und unserer Oma von New York aus mit der Queen Mary 2 nach London übersetzte. Dort sassen sie an einem Tisch mit einer älteren, sehr englischen Dame, die sie, empört ob des Unwissens um den traditionellen Afternoon Tea, sofort für den Nachmittag einlud. Und zwar um Punkt fünf vor vier im Teesalon. Pünktlich.
In Vorbereitung zu diesem Artikel mußte ich genau das noch mal nachfragen – nämlich ob es um kurz vor fünf oder um kurz vor vier war. Das ist wichtig, denn von zwei bis vier am Nachmittag wird der Afternoon Tea genommen, von fünf bis sieben der High Tea. Wobei sich da nicht der Tee, sondern die Beilagen unterscheiden. Und die Tischhöhe – daher der Name. Aber dazu später. Jedenfalls erwartete die Dame nebst Rollator meine Familie vor dem Queens Room. Stilsicherer und traditioneller geht es kaum noch.
Serviert wurde, von Butlern in weißen Handschuhen, der von den Briten bevorzugte, unaromatisierte, kräftige Tee – Earl-Grey geht so eben gerade noch, Puristen nehmen aber unparfümierten Tee aus Cylon. Pro Tasse wird ein Löffel Tee in eine vorgewärmte Kanne gegeben, darauf kommt dann das sprudelnd kochende Wasser. Und da bleibt es – ein Umgießen in eine Servierkanne ist was für Weicheier Kontinentaleuropäer. Dafür wird für die späteren Tassen eine seperate Kanne mit warmem Wasser gereicht. Und natürlich vorgewärmte Milch. Und hier teilt sich die britische Teegemeinde in Mif (Milk-in-frist) und in Tif (Tea-in-first)-Trinker. Das bedeutet: Ob erst die Milch oder erst der Tee in die Tasse eingeschenkt wurde. Laut meinem Bruder war das auch durchaus ein Thema, als sie in dem vornehmen Salon ihren Afternoon Tea genommen haben. Ebenso, ob brauner, weisser oder gar kein Zucker genommen wird.
Dazu wurden kleine Sandwiches gereicht. Klassischerweise nimmt man Gurkensandwiches oder aber welche mit Eiersalat und Kresse, es geht aber auch Schinken oder Fish. Niemals hingegen ein getoastetes oder gar ein Club-Sandwich. Niemals – das wiederum ist für die abrünnigen auf der anderen Seite des Atlantiks. Tea Sandwiches werden ausserdem häufig in kleine Streifen oder andere handliche Größen geschnitten
Außerdem werden Scones mit Clotted Cream und Jam (Früchtemarmelade) serviert – besteht das Essen nur aus letzterem, befindet man sich übrigens bei einem Cream Tea oder auch Devonshire Tea genannt. Der Afteroon Tea ist somit als Zwischenmahlzeit zwischen Mittag und Abendessen gedacht. Quasi das Äquvialent zum deutschen Kaffee und Kuchen.
Der High Tea hingegen beinhaltet mindestens ein warmes Gericht, plus kalten Braten, Sandwiches und danach Kuchen. Solcherlei Essen wird natürlich an einem echten, einem „hohen“ Tisch gegessen, auf dem niedringen Teetisch, dem low table, und der Couch wäre das eher unbequem. Daher der Name. Früher wurde er oft als frühes Abendessen mit den Kindern eingenommen, die sich dann von der Nanny ins Bett gebracht wurden, während die Eltern dann zur Dinnereinladung entschwebten. Später dann nahmen viele Arbeiter ihren High Tea, wenn sie von der Schicht kamen und die Zeit bis zum Abendessen einfach noch zu lang war. Heute ist er eher selten geworden.
Daneben gibt es noch den Early Morning Tea, den der Brite an sich gerne morgens noch im Bett genießt – was in den modernen Zeiten und ohne Personal allerdings immer schwieriger wird.
Dafür wird der Royal Tea immer interessanter, bei dem es zusätzlich Champagner und Sherry gibt.
Heutzutage wird natürlich auch in Großbritanien der Tee mitunter gerne mal als Teebeutel in einer großen Tasse (tea mug) aufgegossen und dazu wird einfach ein Riegel Süsskram gegessen während man weiterarbeitet, klar. Aber traditionell steht man nach einem guten Afternoon Tea, Häppchen und einer gepflegten Konversation auf, bedankt sich für die nette Gesellschaft und geht wieder seiner Wege. So auch geschehen auf der Queen Mary 2 – da sind die Wege für eine alte Dame mit Rollator lang, wie sie scherzhaft bemerkte, als sie sich auf den Weg in ihre Kabine machte, um sich für das Dinner herzurichten. An manchen Orten dieser Welt, ist die Zeit eben doch noch stehen geblieben.
Schön.
3 Responses to Eine Reise durch die Welt des Tees – heute: It´s teatime