Setzkasten, echt und oll

 

Setzkästen sind ja sooo achtziger. Irgendwie hatte damals jeder weibliche Teenager so ein Ding im Zimmer. Das hing dann da zwischen dem  Bravo-Starschnitt und dem rankenden Bubikopf und nahm den Nippes auf, den man so ansammelte. Meiner hatte gnädigerweise eine Scheibe davor. Kein Staubwischen.

Dann wurde ich mit 17 zum Betriebspraktikum abgeordnet, landete in einer Handsetzerei und habe da die echten kennengelernt. Die mir wegen ihrer Größe und Schwere wirklich Respekt einflößten. Gute hundert kleine Fächer, gefüllt mit bleiernen Lettern, und dir wird schlagartig klar, warum das Schwermetall heisst. Die erste Regel, die mir eingeschärft wurde, war:“Niemals mit den Händen ins Gesicht. Und vor dem Frühstück die Pfoten mit Kernseife schrubben.“ Schließlich ist das Zeug nicht nur schwer, sondern auch giftig. Mein erster „Job“ und ich habs geliebt. Die kleine Akzidenzsetzerei befand sich im Gebäude einer Tageszeitung. Die Zeitung selbst wurde natürlich schon lange im Offsetdruck hergestellt. In der alten Werkstatt fabrizierten wir nur noch die Sätze für Briefköpfe, Danksagungen und Visitenkarten. Vermutlich hat es mir so gut gefallen, weil es mir leicht von der Hand ging und ich feststellte, dass ich vielleicht doch keine zwei linken Hände habe. Oder weil mich die Schrifttypen fasziniert haben. Egal, war klasse.

Und letzten Samstag waren wir auf dem Kiezfest nebenan, und da stand er und ich konnte nicht dran vorbeigehen. Jetzt steht er im Flur, und die ursprüngliche Ausrede: „Dann kann ja das Kind seinen Tüdelkrams da drin unterbringen“, wird immer fadenscheiniger. Ich werde ihn vermutlich nicht rausrücken. Ich Achtziger-Fossil.

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