Folgende Situation: In einem Einfamilienhaus gibt es eine linksdrehende Treppe in den Keller, wo die Wände seit Jahren blank sind. Die Familie in diesem Haus hat zwar einen erstaunlichen Fundus an Postern. Dumm nur: Die Ehepartner in der Familie in dem Haus mit der linksdrehenden Treppe konnten sich in mehr als zwölf Jahren nicht darauf einigen, welche aufgehangen werden sollten.
Dieser Text handelt von der Lösung dieses Problems und der Schaffung eines Gesamtkunstwerks mit Elementen aus Star Trek, Star Wars und Nazi-Adlern, denen Tauben auf dem Kopf kacken. Ehrlich.
Zuerst ist es wichtig, den Entscheidungsprozess zu vereinfachen. Dazu wartet man, bis die Ehefrau für einen Nachmittag aus dem Haus ist, ruft die beiden Kinder her und erklärt ihnen, dass man Mama überraschen will und daher ganz schnell jetzt Poster aufhängen muss. Und ja, jeder darf mal mit der Wasserwaage spielen.
Wir müssen nicht nur schnell arbeiten: Begrenzt sind wir durch die vorhandenen Poster (zum Teil aus der Stundentenzeit und damit von zweifelhaftem Geschmack), dem zarten Alter des Nachwuchses (weder Zombies noch Tawny Kitaen als Gwendoline), die Rahmenauswahl (was noch herumsteht), die einzelnen Wände (verschieden groß) und schließlich die Lichtverhältnisse (schlecht).
Zum Glück wissen wir wenigsten genau, was wir wollen: Die Aufmerksamkeit des Betrachters oben im Hausflur einfangen und sie dann Stufe für Stufe nach unten führen, wo ganz im Schluss etwas auf ihn wartet. Damit ist sofort klar, welches Poster oben am Treppenansatz hängen muss.
Star Trek: First Contact besteht grob gesagt aus drei hell erleuchteten Köpfen – die von Patrick Stewart, Brent Spiner und Alice Krige – vor einem dunklen Hintergrund. Auch unter düsteren Lichtverhältnissen sieht man wenigstens etwas von den Gesichtern. Hier greift einer der ältesten visuellen Tricks der Welt: Da Jean-Luc Picard, Data und die Borg Queen direkt nach vorne aus dem Bild herausgucken, sieht es immer so aus, als würden ihre Augen uns verfolgen. Wir gucken zurück und hängen so mit dem Blick erstmal fest.
(Die Kinder kennen das Motiv des Posters seit dem Krabbelalter, als sie aus der DVD-Sammlung Türme gebaut haben. Die einzige Bemerkung in der ganzen Zeit galt nicht etwa dem unmenschlichen Aussehen der Borg Queen oder Datas komischen Augen, sondern Picards ernstem Blick. Kein Wunder, dass der Kapitän keine Kinder mag.)
Jetzt müssen wir den Blick des Betrachters nach unten links ziehen. Dumm dabei: Die nächste Wand hat die schlechtesten Lichtverhältnisse. Für die Lampe im Flur sind wir schon zu tief — der Garderobenständer blockiert das Licht — für die im Keller noch zu hoch. Was immer hier hängt, wird düster sein, da brauchen wir uns gar nicht groß anzustrengen. Wir brauchen eine andere Lösung.
(„Daddy, warum dürfen wir nicht mit dem Bleistift kleine Kreuze auf die Wand malen?“)
Wie wäre es wenn wir ein Poster nehmen, auf dem in großen, fetten Buchstaben „EROTIC“ steht? Nicht wirklich subtil, aber es muss auch nur so lange funktionieren, bis der Betrachter dem Blick der Frau nach links folgt.
(„Daddy, ist das ein echter Skorpion auf dem Kopf der Frau?“)
Dort finden wir Walt Disneys Mulan. Ich finde das Poster nach wie vor irre und könnte es problemlos im Wohnzimmer aufhängen, wäre meine Frau nicht zufällig dagegen. Merke: Man kann zwar viel entscheiden, wenn der Partner nicht da ist, aber alles hat seine Grenzen. Und auch hier sehen wir: Ross und Reiterin gucken auch nach links. Das führt uns weiter zu –
Gut, Blue Velvet ist absolut kein Kinderfilm, aber hier ist nur Isabella Rossellini zu sehen. Ich hätte gerne dieses Bild und Mulan getauscht, denn hier ist das Licht noch besser, aber die Wand ist zu klein für unsere chinesische Reiterin. Isabella guckt auch nach links, wo das größte der Poster hängt:
Lieber Verfassungsschutz: Iron Sky ist eine Science-Fiction Parodie. Der kleine Vogel auf dem Kopf des großen Vogels sagt alles über den Kampf gegen Raumnazis, das man wissen muss.
(„Daddy, kann ich jetzt auch mal mit dem Zollstock spielen?“)
Jetzt ist die Treppe zu Ende. Wir sind im Keller angekommen. Der Adler guckt auch nach links, aber das führt uns direkt zur Wand des Heizungskellers. Alles konzentriert sich auf diesen Augenblick. Es wird Zeit für das Poster-Finale:
Äh, ja, da fehlt etwas. Das Problem ist, dass wir im Moment keinen passenden Rahmen haben, weil die im Fundus zu groß sind, um noch zwischen dem Notaus-Schalter der Heizung und dem Knick in der Wand zu passen. Wenn wir aber endlich daran denken, einen Rahmen zu kaufen, wird es dann so aussehen:
Aug‘ in Visier mit Darth Vader, hier gilt der gleiche Effekt wie beim ersten Bild. Wichtig ist allerdings, die Star Trek und Star Wars Poster räumlich möglichst weit zu trennen, sonst gibt es ein Unglück im Raum-Zeit-Kontinuum oder so etwas.
Und das war’s. Jetzt heißt es dem Kind die Bohrmaschine wegnehmen, alles aufräumen und gucken, was die Ehefrau zu dem Ganzen sagt.
4 Responses to Eine Poster-Komposition in einer Kellertreppe