Ein Arbeitszimmer für den Autor, Teil 14: Oberflächenbehandlung: Sägemehl, Alien-Blut und ein Zwischenfazit

Nachdem alle Schreibtische stehen, ist es Zeit für die Oberflächenbehandlung. Die Erwartungen dürfen nicht zu hoch sein:

Wirklich schön im klassischen Sinn wird das Ergebnis so oder so nicht, schon allein weil das Holz zwar dick, aber nicht von bester Qualität ist. Mit sehr viel Arbeit könnte man das bestimmt fein machen, aber die Zeit haben wir schlicht nicht. Außerdem reden wir hier vom Arbeitszimmer. Das Ziel lautet „flach“ und „eben“ in dem Wissen, dass am Ende die höfliche Beschreibung „rustikal“ lauten wird.

Selbst dann müssen wir folgende Liste abarbeiten. Einmal tief durchatmen:

  1. Bröckelnde Astlöcher ausbohren und mit Holzpropfen versehen.
  2. Nachhobeln, um die letzten groben Unebenheiten zu beseitigen und die Übergänge zwischen den Brettern anzugleichen.
  3. Schutzleisten an den Kopfseiten der Tischkanten anbringen.
  4. Spalten, Löcher, größere Macken und Übergänge mit Mischung aus Sägemehl und Klebstoff oder einer anderen Masse füllen. Aushärten lassen.
  5. Grob schleifen, möglichst nur in Faserrichtung, um die letzten Unebenheiten zu beseitigen.
  6. Fein schleifen, nur in Faserrichtung, um eine möglichst glatte Oberfläche zu erhalten.
  7. Völlige Entstaubung des Zimmers: Alle Werkzeuge und Holzreste heraustragen; Decke, Wände, Tische und Fußboden mit dem Besen fegen; mit dem alten Staubsauger den groben Rest wegmachen; mit dem guten
    Staubsauger nachsaugen, wenn die Schönste Germanin es nicht mitbekommt.
  8. Abkleben: Mit Malerband an den Wänden, selbst dort, wo man es nicht sehen wird; mehrere Lagen Abdeckplane und Zeitung auf den Fußboden, auch unter den Tischen.
  9. Letzte Farb-Ausbesserungen an den Wänden, wo wir Stellen übersehen oder uns verstrichen haben. Trocknen lassen.
  10. Erste Lasur der Tische. Kabellöcher nicht vergessen! Unter den Tischen übersehene Stellen und Macken nachstreichen. Trocknen lassen.
  11. Tische mit sehr feinem Schmirgelpapier per Hand schleifen (durch die Feuchtigkeit der ersten Farbschicht quellen die Holzfasern auf, hat man mir erklärt).
  12. Nochmal alles absaugen.
  13. Zweiter Anstrich der Tische. Trocknen lassen.
  14. Erste Schicht Klarlack. Trocknen lassen.
  15. Zweite Schicht Klarlack. Trocknen lassen.
  16. Abdeckung entfernen, Raum putzen.

Das ist in der Praxis nerviger, als es klingt: Bis Schritt 10 scheint nichts zu passieren. Man kommt in das Zimmer, und sieht lauter helle Tischflächen, man geht nach einigen Stunden wieder heraus, und sie sind immer noch hell. Leute gucken durch die Tür und fragen, was man da eigentlich den ganzen Tag macht …

Erster Schritt: Kaputte Astlöcher ausbohren.

Ausbohren von Astlöchern.

Insgesamt waren es etwa 20 bis 30 Stellen. Die Scheiben für die Pfropfen schneidet man sich mit der Klappsäge von einer Holzstange ab, Durchmesser zwei Zentimeter. Wie tief man geht, hängt von der Stelle ab, aber bei vier Zentimeter dicken Brettern muss man nicht knauserig sein. Die Höhe muss nicht genau passen, denn unser Freund Wolf der Elektrohobel sorgt für Disziplin und Ordnung.

 

Spalten zukleben am Sehr Großen Tisch, Experiment mit "drüberstreuen" bei den dicksten Spalten; unten ist der Klebstoff übergelaufen.
Spalten zukleben am Sehr Großen Tisch, Experiment mit "drüberstreuen" bei den dicksten Spalten; unten ist der Klebstoff übergelaufen.

 

Was uns zu den Spalten bringt. Die Ergebnisse mit dem klassischen Klebstoff-Sägemehlgemisch waren, nun, uneinheitlich. An einigen Stellen hat das wunderbar geklappt, an anderen sieht es aus als ob ein Alien durch die Ritze geblutet hätte. Da es um das Arbeitszimmer geht, habe ich bewusst herumexperimentiert und kann folgende Faustregeln anbieten, wenn auch ohne Gewähr:

  1. Der Anteil an Sägemehl zum Klebstoff muss möglichst hoch sein.
  2. Möglichst kleine Mehlkörner benutzen (Hobelspäne sehen fürchterlich aus).
  3. Die oberste Schicht sollte rein aus Sägemehl bestehen (am Ende nochmal drüberstreuen und eindrücken).
  4. Auf keinen Fall darf Klebstoff großartig über die Ränder hinaus einziehen — das führt sonst zu dem „Säure statt Blut“-Effekt, den man vom A-Deck der Nostromo kennt.
  5. Kein Werkzeug kann es mit den Fingern aufnehmen, auch wenn man sofort einen halben Handschuh aus Klebstoff bekommt.

Noch besser funktioniert — wie der Leser KH bemerkt — wenn man einen passenden Span abhobelt und einfügt. An einer Stelle habe ich das auch probiert, und tatsächlich schlug es das Klebstoff-Gemisch. Der Aufwand verbietet sich hier allerdings. Die fertige Holzpaste aus dem Baumarkt ließ sich gut verarbeiten, zog jedoch beim Trocknen etwas ein (wie der
Leser CHR vorhergesagt hatte). So oder muss man sich klar sein, dass alle Übergänge am Ende dunkler sind als das eigentliche Holz.

Die beste Lösung besteht darin, die Kanten genauer anzupassen.

Auch beim Hobeln und Schleifen bleibt der Welteroberungstisch das Problemkind. Wegen der Übergänge verletzt man – zumindest mit dem Werkzeug, das ich zur Verfügung habe – zwangsläufig die Faserrichtung. Entsprechend, äh, unruhig sieht das Ergebnis aus. Es verstärkt sich der Eindruck, dass dieser Teil vielleicht doch überambitioniert gewesen sein könnte.

Irgendwann ist man so weit, dass man endlich streichen kann.

 

Lasur, erste Schicht halbfertig, Kamera vor Erschöpfung schief

 

Ich habe einfach die No-Name-Lasur aus dem Baumarkt genommen. Sie ist billig, ich kenne sie von anderen Projekten und wieder gilt: Für das Arbeitszimmer reicht es. Das gleiche trifft auf den matten Klarlack zu.

 

Nach der ersten Lasurschicht. Rechts ein Ausrutscher mit dem Hobel, durch die Färbung jetzt brutal deutlich; links mehrere ausgebohrte Astlöcher.

 

Aber musste man die Tische überhaupt lasieren? Hätte es nicht einfach der Klarlack getan? Das belassene Holz hat eine eigene Schönheit, die Macken fallen weniger auf und der ganze Raum ist heller. Dummerweise hatte ich schon die Unterseiten und den Unterbau vorgestrichen, und nach übereinstimmender Meinung aller hinzugezogenen Experten —
sprich, jeder, der in dieser Phase unvorsichtigerweise einen Fuß in die Vordertür setzte — wären die drei verschiedenen Farben von Fußboden, Tischplatten und Unterbau zu viel. Wenn ich es nochmal machen müsste, würde ich mir das aber sehr genau überlegen.

 

Der Sehr Große Tisch, fertig behandelt; die Schraube hält die Schutzleiste.

 

Es ist gut, dass wir uns von Anfang an auf rustikal eingestellt haben, denn rustikal ist das, was wir bekommen haben — oder, positiv formuliert, wir haben eine dramatische, eigenwillige Oberfläche mit einem ganz speziellen Charakter. Vielleicht kein Tisch für eine Subbuteo-Meisterschaft, aber flach und eben und damit entsprechend den Anforderungen.

Damit sind die Schreibtische fertig. Zeit für ein Zwischenfazit. Den Sehr Großen Tisch verbuche ich als vollen Erfolg. Er ist stabil,eben und, nun, groß. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, so einen Tisch wieder selbst zu bauen. Einen graden, viereckigen Tisch, wohlgemerkt — so etwas wie den Welteroberungstisch würde ich mir dreimal überlegen. Aber jetzt habe ich es probiert und die liebe Seele hat ihre Ruh.

Beim Gesamtobjekt bin ich zufrieden. Von links nach rechts haben wir eine durchgehende und flache Tischfläche, auf der man endlos Papier und Bücher stapeln und ignorieren sortieren kann. Die Tische sind stabil bis zu dem Punkt, dass sie selbst von meinem Gewicht nicht zu beeindrucken sind. Ich habe eine Menge gelernt über Spaltenflicken, Winkelschneiden und die Macht von Elektrohobeln. Dass der Aufwand erheblich größer war als erwartet, muss ich vermutlich nicht erwähnen.

Was kommt jetzt? Regal, Regale, Regale und etwas Licht.

Fortsetzung hier

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